Und sie erhob laut ihre Stimme
(1 Sam 1-2)
Lange hatte sie geschwiegen, fraß den Schmerz in sich hinein.
Tränen, die nach innen fließen, machen wirr, fast wie der Wein.
Doch als Hanna ihre Lippen öffnete und endlich sprach,
wurden ungeahnte Kräfte tief in ihrem Leibe wach.
Und sie erhob laut ihre Stimme:
Höre, wie ich singe meinem Gott!
Hungrige werden fröhlich sich laben.
Satte, die plagen sich ums Brot.
Der Bogen des Helden wird zerbrechen.
Die Schwache erhebt sich aus dem Staub.
Das Ringen ums Recht ist nicht vergebens.
Gott ist die Macht des Lebens, an die ich glaub.
(Lk 1,26-56)
Einsam trug sie das Geheimnis, das nur ihr allein bekannt,
scheute sich es mitzuteilen, da sie selbst es kaum verstand.
Als Maria dann der Freundin fragend in die Augen sah,
wußte sie, sie hat begriffen, und so ist es wirklich wahr.
Und sie erhob laut ihre Stimme:
Höre, wie ich singe meinem Gott!
Hungrige werden fröhlich sich laben.
Satte, die plagen sich ums Brot.
Die Throne der Mächtigen zerbrechen.
Die Schwache erhebt sich aus dem Staub.
Das Ringen ums Recht ist nicht vergebens.
Gott ist die Macht des Lebens, an die ich glaub.
Viel zu lang verschweigen Frauen ihre Freude, ihre Not,
die Erfahrung, die sie reich macht, und die Angst, die sie bedroht.
Doch fängt eine an zu reden und zu rufen und zu schrein,
werden andre Mut gewinnen, werden ihr zur Seite sein.
Und sie erhebt laut ihre Stimme:
Höre, wie ich singe meinem Gott!
Hungrige werden fröhlich sich laben.
Satte, die plagen sich ums Brot.
Die Herrschaft des Unrechts wird zerbrechen.
Die Schwache erhebt sich aus dem Staub.
Das Ringen ums Recht ist nicht vergebens.
Gott ist die Macht des Lebens, an die ich glaub.
©1993 Claudia Mitscha-Eibl, A-2100 Korneuburg
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