Wo ist deine Lust geblieben
Du sagst, ihr seid nun schon lang zusammen,
und manches hält, und manches bricht,
und diese Zeit hat euch verbunden
in vielem, doch in einem nicht.
Das Kind, die Arbeit, die Alltagssorgen,
das alles nimmt dich ziemlich her,
und du bist froh, das mit ihm zu teilen.
Aber nachts magst du nicht mehr.
Wo ist deine Lust geblieben,
schläft sie nur oder entschwand sie dir?
Hat irgendwer sie ausgetrieben?
Sehnst du dich ab und zu doch nach ihr?
Was hat dir die Lust genommen,
was entfachte, was löschte sie?
Macht es dich stark, ohne sie auszukommen?
Vermißt du sie nie?
Du sagst, daß er sich manchmal windet
in seinem Wunsch, dich zu berührn,
du aber willst nur seine Nähe
ohne Versuch, dich zu verführn.
Immer gegen ihn dich wappnen,
das hemmt die Zärtlichkeit schon sehr.
Und dann und wann kommt der Gedanke,
ob's mit wem andern anders wär.
Wo ist deine Lust geblieben ...
Du sagst, man hat uns vorgegaukelt,
befreite Frauen erfüllen sich
ganz ohne Scham ihre Begierden -
und hätten solche sicherlich.
Du aber steht zu deiner Unlust,
du beugst dich keinem Ideal,
und damit bist du ganz zufrieden.
Trotzdem frag ich mich manchmal:
Wo ist deine Lust geblieben ...
© Claudia Mitscha-Eibl, A-2100 Korneuburg
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